Donnerstag, 29. April 2021

Orth Kluth erwirkt BGH-Urteil zu Trassenpreisen der Deutschen Bahn

In einem von Orth Kluth geführten Verfahren bestätigt der BGH seine bisherige Rechtsprechung, wonach das EU-Kartellrecht (Machtmissbrauchsverbot des Art. 102 AEUV) auf die Trassenpreise der Deutschen Bahn anwendbar ist und auch die Entgelte für die Nutzung von Schienenwegen daher von den Zivilgerichten – parallel zur und unabhängig von der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur – nach kartellrechtlichen Maßstäben überprüft werden können (BGH, Urt. v. 8.12.2020, KZR 60/16; die Entscheidungsgründe liegen seit dem 22.04.2021 vor).

Konkret geht es in dem Rechtsstreit um genau die Erhöhung der Stornierungsentgelte zwischen 2008 und 2011, deren zivilgerichtliche Überprüfung der Europäische Gerichtshof (EuGH) zumindest am Maßstab der Billigkeitskontrolle (§ 315 BGB) in seinem Grundsatzurteil vom 9.11.2017 (C-489/15) im Gegensatz seinerzeit zum BGH (BGH, Urt. v. 18.10.2011, KZR 18/10) als EU-rechtswidrig (Verstoß gegen die Fahrwegsrichtlinie 2001/14/EG) angesehen hatte.

Gleichzeitig gibt der BGH wichtige Hinweise zu dem kartellrechtlichen Prüfprogramm für Trassenpreise. Der BGH nennt hier primär das Verbot missbräuchlich erhöhter Preise für die Nutzung wesentlicher Einrichtungen (essential facilities) und das Verbot, den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Transportmarkt zu behindern, insbesondere das Verbot einer Kosten-Preis-Schere. Für beide Fallgruppen gibt der BGH konkrete Hinweise für die weitere Prüfung. Aus Sicht des BGH liegt mit Blick auf die streitgegenständlichen Stornierungsentgelte dabei der Schluss nahe, dass die seinerzeitige sprunghafte Preiserhöhung Ausdruck der (missbräuchlichen) Ausnutzung vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierter Preissetzungspielräume ist (Rn. 30 der Entscheidung). Final entscheiden muss das OLG Düsseldorf nun den Rechtsstreit, an den der BGH die Sache zurückverwiesen hat.

Der BGH hatte bereits in früheren Urteilen entschieden, dass die EuGH-Entscheidung einer Anwendung des Kartellrechs auf die Trassen- und Stationspreise der DB nicht entgegenstehe (Urt. v.29.10.2019, KZR 39/19; Urt. v. 1.9.2020, KZR 12/15). Allerdings hat das Kammergericht dem EuGH (Verfahren C-721/20) inzwischen die Frage vorgelegt, ob das Unionsrecht nicht auch die zivilgerichtliche Anwendung des Kartellrechts auf die regulierten Infrastrukturentgelte sperre. Hier steht eine Entscheidung des EuGH noch aus. Der BGH hatte die Notwendigkeit einer solchen Vorlage verneint, da aus seiner Sicht an der Anwendbarkeit des Kartellrechts kein Zweifel bestehen kann. Er sah auch keinen Anlass, die Entscheidung des EuGH zu dieser Frage abzuwarten.

Beratende Anwälte: Dr. Anselm Grün, Federführung und Dr. Dominika Stachurski LL.M., beide Regulierung / Kartellrecht

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