Unternehmenskauf aus der Insolvenz

Vermehrte Unternehmensinsolvenzen als erwartete Folge der Corona-Pandemie

Schon jetzt mehren sich die Nachrichten zu Sanierungsaktivitäten, (Not-)Verkäufen und Insolvenzanträgen. Spätestens nach Ablauf des Aussetzungszeitraums ist aufgrund der Folgewirkungen der Corona-Pandemie mit einer Zunahme von Insolvenzfällen zu rechnen. Insolvenzverwalter gehen angesichts der wirtschaftlichen Krise für längere Zeit von einer signifikanten Steigerung der in den vergangenen Jahren in Deutschland eher rückläufigen Unternehmensinsolvenzen aus.

Im Rahmen eines Rettungspakets hat der Gesetzgeber Ende März im Schnellverfahren u. a. das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVInsAG) verabschiedet. Das COVInsAG setzt die haftungs- und strafbewehrte Insolvenzantragspflicht für den Zeitraum vom 1.3.2020 bis vorerst 30.9.2020 in weiten Teilen aus. Eine Verlängerung des Aussetzungszeitraums bis zum 1.3.2021 ist möglich. Bislang wurde von dieser Option kein Gebrauch gemacht.

Chancen für Kaufinteressenten

Unternehmenskrisen und -insolvenzen bedeuten gleichzeitig Chancen für potentielle Unternehmenskäufer. Insbesondere wer gut vorbereitet und in überschaubarer Zeit entscheidungsfähig ist, kann in nächster Zeit möglicherweise ein Zielunternehmen oder einen Teil davon zu einem angemessenen Preis erwerben.

Aus rechtlicher Sicht sind verschiedene Ausgangsszenarien, die die aktuelle Situation des Verkäufers bzw. des Zielunternehmens in den Blick nehmen, zu bedenken:

  • Kauf eines in der Krise befindlichen Zielunternehmens
  • Kauf von einem in der Krise befindlichen Verkäufer
  • Unternehmenskauf im Rahmen eines Insolvenzverfahrens

Für jedes Szenario gilt es, die Chancen und Risiken korrekt zu identifizieren und zu bewerten sowie die beste Transaktionsstruktur zu finden.

I. Kauf eines in der Krise befindlichen Zielunternehmens

Befindet sich das zu erwerbende Zielunternehmen in der Krise und beeinträchtigt diese Krise den Verkäufer der Anteile nicht, kommt es für den Unternehmenskäufer im Rahmen der Vorbereitung der Transaktion u. a. darauf an, die operativen und finanziellen Risiken der Zielgesellschaft zu erkennen, zu bewerten und möglichst durch werthaltige Garantien und Freistellungen des Verkäufers abzusichern. Eine im Umfang sachgerechte und die wirtschaftlichen Grundlagen der Zielgesellschaft erfassende Due Diligence ist also in diesem Fall von besonderer Relevanz.

Im Rahmen der Vorbereitung der Transaktion ist ferner zu erwägen, welche Beiträge Dritte, etwa Arbeitnehmer, Kreditgeber und Lieferanten des Zielunternehmens, zu dessen Sanierung ggf. erbringen können. Solche Sanierungsbeiträge können dann im Einzelnen verhandelt und im Zusammenhang mit dem Abschluss des Unternehmenskaufvertrags rechtsverbindlich vereinbart werden.

Ein Risiko kann für den Unternehmenskäufer in der Entwicklung des sanierungsbedürftigen Zielunternehmens vom Tag der Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrages bis zu dessen Vollzug liegen, zumal wenn es sich um einen längeren Zeitraum handelt. Ein Sanierungskonzept kann in dieser Zeit unter Umständen wertlos werden. Die Auswirkungen einer späteren Insolvenz des Zielunternehmens sollten – etwa mit Blick auf Gesellschafterdarlehen, für die das CoVInsAG im Übrigen ebenfalls Regelungen vorsieht, und Anfechtungsrisiken – durchdacht werden. Der Erwerber sollte versuchen, sich durch eine Material Adverse Change Regelung im Vertrag in einem gewissem Umfang abzusichern.

II. Kauf von einem in der Krise befindlichen Verkäufer

Beim Erwerb eines Unternehmens von einem in der Krise befindlichen Verkäufer besteht das Risiko der späteren Insolvenz dieses Verkäufers. Realisiert sich dieses Risiko, ist jedenfalls die wirtschaftliche Durchsetzbarkeit von Ansprüchen des Käufers gegen den Verkäufer aus dem Unternehmenskaufvertrag bedroht. Die Möglichkeiten zum Abschluss einer Warranty and Indemnity (W&I) Versicherung sind bei dieser Lage aus Käufersicht zu prüfen.

Die Transaktion kann sogar insgesamt in Frage gestellt werden, wenn sie der Insolvenzanfechtung unterliegt. Ist eine Anfechtung erfolgreich, ist das an den Käufer übertragene Vermögen an den Insolvenzverwalter zurückzugewähren. Der Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises ist demgegenüber lediglich eine – oft weitgehend wertlose – Insolvenzforderung, die mit der Quote am Ende des Insolvenzverfahrens befriedigt wird; diese Quote liegt in Deutschland in der Regel unter 10%.

Bei der Ausgestaltung der Transaktion gibt es gewisse Möglichkeiten, die Risiken im Vorfeld einer Verkäuferinsolvenz zu reduzieren. Soweit dies nicht möglich ist, gilt es, sie jedenfalls angemessen zu bewerten.

Ist der Unternehmenskaufvertrag zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers noch nicht vollständig erfüllt (etwa wegen Nichteintritts von Vollzugsbedingungen, Kaufpreisanpassungsklauseln oder -einbehalte), riskiert der Käufer auch, dass der Insolvenzverwalter des Verkäufers die Nichterfüllung des Unternehmenskaufes wählt. Ansprüche wegen Nichterfüllung kann der Käufer dann ebenfalls nur zur Tabelle anmelden.

Eine vergleichsweise rechtssichere Vorgehensweise ist aus Käufersicht auch weiterhin, einen Unternehmenskauf von einem krisengeschüttelten Verkäufer erst im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers durchzuführen.

III. Unternehmenskauf im Rahmen eines Insolvenzverfahrens

Infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert sich der Rechtsrahmen für einen Unternehmenskauf. Die Insolvenzordnung bestimmt nun maßgeblich den rechtlichen und tatsächlichen Gang der Dinge.

1. Erwerb mittels übertragender Sanierung

Wird die Insolvenz im Rahmen eines auf die Liquidation des Schuldners zielenden Regelverfahrens durchgeführt, erfolgt der Unternehmensverkauf zumeist durch eine sogenannte „übertragende Sanierung“. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der Geschäftsbetrieb im Wege eines Asset Deals ohne die Insolvenzverbindlichkeiten auf den Erwerbsinteressenten übertragen wird. Die übertragende Sanierung mittels eines Share Deals nach Übertragung der Vermögenswerte der insolventen Gesellschaft auf eine Zweckgesellschaft ist sehr selten, weil diese Variante für den Käufer aus haftungsrechtlichen und steuerlichen Erwägungen weniger attraktiv ist. Als Verkäufer tritt der Insolvenzverwalter auf (im Fall der Eigenverwaltung das Schuldnerunternehmen handelnd durch die Geschäftsleitung).

In zeitlicher Hinsicht ist die übertragende Sanierung schneller umsetzbar als der Kauf im Zuge eines Insolvenzplanverfahrens, das unten (Ziffer 2.) skizziert wird.

Der Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages im Rahmen einer übertragenden Sanierung ist (jedenfalls) ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich, da der Insolvenzverwalter nunmehr die Verfügungsbefugnis über den Unternehmensträger erlangt. Das vorgeschaltete Insolvenzeröffnungsverfahren kann mitunter aber bereits für eine Due Diligence Prüfung seitens des Kaufinteressenten genutzt werden mit der Folge, dass der Vertragsabschluss alsbald nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich ist. Ein solches Vorgehen deckt sich mit dem Interesse des Insolvenzverwalters, der nicht selten ebenfalls einen schnellen Vertragsschluss erreichen möchte, um die Unternehmensfortführung zu ermöglichen. Auf diese Weise kann er auch das Risiko eines Wertverlustes des Unternehmens, der im Laufe der Zeit steigt, mindern.

Kaufgegenstand im Fall der übertragenden Sanierung per Asset Deal ist das Aktivvermögen der insolventen Gesellschaft, das im Wege der Einzelrechtnachfolge übertragen wird. Die Übernahme von Insolvenzverbindlichkeiten, also Verbindlichkeiten, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden und im Rahmen der Insolvenzquote zu bedienen sind, ist aus Käufersicht in der Regel nicht gewünscht (und rechtlich auch nicht in jedem Fall möglich).

Verträge des Zielunternehmens können mit Wirkung für die Zukunft übernommen werden. Das ist im Zuge der Transaktion mit dem jeweiligen Vertragspartner zu vereinbaren. Eine Haftung für die Vergangenheit möchten Unternehmenskäufer in der Regel vermeiden.

Mitunter ist der Erwerb eines Unternehmens im Rahmen einer übertragenden Sanierung sinnvoll nur möglich, wenn zuvor eine Anpassung des Personalbestandes erfolgt ist. Für Personalanpassungen im Vorfeld oder im Zusammenhang mit einem Unternehmensverkauf stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung (Sanierungs- / Erwerberkonzept, Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft), die der Vorbereitung und Begleitung durch arbeitsrechtliche Spezialisten bedürfen. Erfahrung und Augenmaß sind im Umgang mit den Beteiligten (Insolvenzverwalter, Gläubigerausschluss, ggf. Betriebsrat etc.) erforderlich, damit die Personalanpassungsvorstellungen des Erwerbsinteressenten umgesetzt werden können.

Für den Erwerbsinteressenten ist es wichtig zu wissen, dass es im Rahmen des Kaufs aus der Insolvenz praktisch nicht möglich ist, umfassende operative oder finanzielle Garantien vom Insolvenzverwalter zu erhalten. Denn die in einem Unternehmenskaufvertrag gewährten Garantien mit daraus resultierenden Ansprüchen sind sogenannte Masseverbindlichkeiten (im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO); für deren Erfüllung haftet der Insolvenzverwalter nach Maßgabe des § 61 InsO persönlich. Ein Kaufangebot, das einen umfangreichen Garantiekatalog vorsieht, wird deshalb für den Insolvenzverwalter in der Regel nicht attraktiv sein.

Aus der Sicht des Erwerbers ist es daher sinnvoller, den Schwerpunkt der Betrachtung auf die Due Diligence und insbesondere auf das Sanierungskonzept und die dazu zu vereinbarenden Regelungen zu legen (Personalmaßnahmen, Umgang mit nachteiligen Verträgen etc.). Mit Blick auf die Due Diligence ist indes auch zu bedenken, dass der Insolvenzverwalter nicht immer einen schnellen Zugriff auf alle vom Kaufinteressenten zur Einsichtnahme gewünschten Unterlagen hat. Mitunter müssen sich Kaufinteressenten dann auch mit einer eingeschränkten Due Diligence zufriedengeben, insbesondere wenn es mehrere Erwerbsinteressen gibt und der Insolvenzverwalter – wie meistens – einen raschen Vertragsschluss avisiert.

2. Erwerb des Zielunternehmens im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens

Erworben wird in diesem Fall, anders als üblicherweise bei der übertragenden Sanierung (siehe oben), nicht eine Gesamtheit von Sachen und Rechten im Wege eines Asset Deals, sondern der Rechtsträger (also die GmbH, die GmbH & Co. KG etc.), und zwar regelmäßig mittels eines Share Deals. Für den Kaufinteressenten hat dies u. a. den Vorteil, dass bestimmte Rechtspositionen wie etwa unternehmensgebundene Genehmigungen bestehen bleiben und „miterworben“ werden.

Übernommen wird der Rechtsträger vom Unternehmenskäufer nach dem Vollzug des Insolvenzplans. Allerdings muss der Käufer die zur Erfüllung des Insolvenzplans notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, die der Befriedigung der Gläubiger und der Sanierung des Rechtsträgers dienen.

Gegenstand des Erwerbs durch den Käufer ist also das Zielunternehmen (der Rechtsträger) mit den Verträgen und Verbindlichkeiten, wie sie durch den Insolvenzplan umgestaltet wurden. Daraus folgt für den Kaufinteressenten, dass er neben der Zielgesellschaft auch den Insolvenzplan zum maßgeblichen Gegenstand seiner Due Diligence Prüfung machen sollte.

Mehr noch: Der Kaufinteressent hat in der Regel ein erhebliches Interesse daran, den Insolvenzplan möglichst frühzeitig mitzugestalten. Auf diese Weise kann er sein Sanierungskonzept für die Zielgesellschaft möglicherweise in Teilen zum Gegenstand des Insolvenzplans machen. Das gilt u. a. für die Umgestaltung von Verträgen, die für die Zielgesellschaft und das Sanierungskonzept nachteilig sind, aber auch für Personalmaßnahmen.

Da das Zielunternehmen letztlich auch für nachgemeldete Insolvenzforderungen haftet (jedenfalls für ein Jahr ab Rechtskraft des Beschlusses über die Bestätigung des Insolvenzplans), und es demnach ggf. mehr Mittel aufwenden muss als im Insolvenzplan vorgesehen, ist es für den Unternehmenskäufer von Bedeutung, im Rahmen der Due Diligence in Erfahrung zu bringen, in welchem qualitativen Zustand sich die Buchhaltung der Zielgesellschaft befindet. Aber auch bei im Kern sorgfältiger Buchführung können später Ansprüche aus der Vergangenheit, etwa Gewährleistungsansprüche, offenbar werden, die die Zielgesellschaft belasten.

Der Vollzug des Erwerbs der Zielgesellschaft durch den Käufer im Zusammenhang mit einem Insolvenzplan erfolgt rechtstechnisch auf unterschiedliche Weise: Erwerb der Anteile von den bisherigen Gesellschaftern, Kapitalherabsetzung der bisherigen Anteilsinhaber auf 0, Kapitalerhöhung zugunsten des Erwerbers bei Bezugsrechtsausschluss der Altgesellschafter, auch mit Debt Equity Swap.

Auch beim Erwerb eines Zielunternehmens im Rahmen eines Insolvenzplans gibt es die bei Unternehmenskäufen sonst üblichen Garantien und Gewährleistungen in der Regel nicht – weder die bisherigen Anteilsinhaber noch der Insolvenzverwalter möchten sie abgeben. Der Kaufinteressent muss die mit dem Erwerb verbundenen Risiken daher vor allem in die Gegenleistung „einpreisen“.

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